Ijsselmeer, Markermeer und friesische Meere
Tagebuch eines Segeltörns: Unterwegs mit einer Delanta 78
14 Tage Abenteuer: Das Wieder- und Neu- entdecken der friesischen Meere mit einer Delanta 78. Die Tour beginnt in Warns und endet in Heeg, dazwischen liegen rund 200 nautische Meilen durch Wind, Wetter, Regen, Sonne und Schleusen. Ein unvergesslicher Urlaub!
Nach mehreren Jahren Friesland-Abstinenz wollen wir uns diesem Jahr erneut seglerisch und touristisch mit dem Ijsselmeer, dem Markermeer und Friesland beschäftigen. Mehrmals haben wir in früheren Jahren versucht, Amsterdam auf eigenem Kiel zu erreichen und sind immer wieder an der hier sehr häufigen Südwest-Wetterlage und der berühmt-berüchtigten Ijsselmeer - Hackwelle gescheitert. Dieses Mal musste es einfach klappen. Vierzehn Tage haben wir Zeit für unser Unternehmen. Bei der Firma CW-Yachting in Warns chartern wir eine Delanta 78, die uns für unsere Zwecke geeignet erscheint, über recht gute Segeleigenschaften verfügt und für zwei Personen ausreichenden Wohnkomfort bietet. Das Angebot der Firma CW-Yachting überzeugte uns letztlich auch hinsichtlich des Charterpreises für einen Zeitraum von 14 Tagen.
Am Samstag, den 13. Juni 09, starten wir um 06.30 Uhr in Moos am Bodensee mit unserem voll gepackten PKW und fahren über Stuttgart, Karlsruhe, Koblenz, Köln, Mönchengladbach, Nijmwegen, Arnheim, Zwolle nach Akkrum in Friesland, wo wir uns die erste Nacht im Hotel „De oude Schouw“ eingemietet haben. Gegen 16.30 Uhr erreichen wir unser Hotel, das sich nicht nur wegen seiner romantischen Lage am Princess-Margriet-Kanal als gute Wahl empfiehlt, sondern auch wegen seiner exzellenten Küche. Nach der langen Autofahrt sind wir hungrig und genießen eine äußerst köstliche Spargelcremesuppe. Danach wird Rindfleisch mit Blattspinat, Spargel und Kartoffeln gereicht. Freundlicherweise gestatten uns die Wirtsleute unsere Kühlbox mit den mitgebrachten Lebensmitteln für die Erstausstattung unseres Bootes, das wir erst am folgenden Tag in Warns übernehmen werden, in ihrer Küche zu deponieren und an die Stromversorgung anzuschließen.
Nach einem kleinen Spaziergang zur nahe gelegenen Zugbrücke sitzen wir noch lange auf der Terrasse, genießen das eine oder andere Kaltgetränk, beobachten die Schifffahrt auf dem von der Beruf- und Sportschifffahrt auch am Abend noch stark frequentierten Kanal und freuen uns auf die kommenden Urlaubstage.
14.06.2009 – Sonntag: Warten auf die Genua
Nach einem ausgiebigen Frühstück verlassen wir „De oude Schouw“ in Akkrum und fahren weiter in die friesische Stadt Sneek, wo wir die Innenstadt mit ihren Krachten, Kanälen und historischen Gebäuden besichtigen. Durch einen Zufall landen wir bei unserem Fußmarsch in der katholischen Kirche St. Martin“ (neugotische Ziegelbauweise) und feiern eine holländische Messe mit den Einheimischen, die übrigens unserem Eindruck nach, fast ausschließlich mit Fahrrädern zur Kirche fahren. Jedenfalls parken dutzende von Rädern auf dem Kirchhof. Autoparkplätze sind nicht vorgesehen. Eine heilige Messe auf niederländisch ist ein Novum für uns und der relativ gute Kirchenchor wird von einem älteren, weißhaarigen Herrn geleitet, der mit wilden Armbewegungen nicht nur seinen Chor, sondern auch das „Volk“ zum Mitsingen animiert und dafür sorgt, dass die Sängerinnen und Sänger nicht ständig der Führung der Orgel hinterherhinken. Ein engagierter Organist bearbeitet das im Chorraum platzierte Orgelmanual mit sichtlichem Körpereinsatz. Helga, die auf musikalische Entgleisungen unerbittlich mit Gänsehaut reagiert, muss an diesem Tag nur wenige Mal erschaudern, was ich als Indiz dafür werte, dass sich der Chor musikalisch auf der Höhe seiner Aufgaben bewegt. Ich für meinen Teil nutze den Gottesdienst und bete für niedrigere Segleranliegen, wie guten Segelwind, schönes Wetter und für die Erfüllung meines Traumes – endlich Amsterdam auf eigenem, na ja sagen wir mal gechartertem Kiel zu erreichen. Gegen Nachmittag fahren wir dann, immer noch auf vier Rädern, weiter nach Warns, das ca. 30 km südlich in der Nähe von Stavoren am Johan Friso Kanal liegt, wo wir gegen 16.00 Uhr unsere Moucha II, eine Delanta 78 übernehmen können.
Die Bootsübernahme wird recht zügig mit dem Hafenmeister des Hafens „Pyramide“ abgewickelt und wir beginnen damit, Moucha II zu beladen. Unglaublich, was wir alles an Lebensmitteln dabei haben und so fahre ich ein um´s andere Mal mit dem Transportwagen zwischen Auto und dem Bootssteg hin und her und Helga packt alles fein säuberlich in die Schränke und die Staukästen im Salon. Die bordeigene Kühlbox wird befüllt. Wir bringen allerdings noch eine zusätzliche eigene Kühlbox mit an Bord und diese Entscheidung stellt sich als richtig heraus, insbesondere wenn man unterwegs nicht auf gut gekühlte Getränke verzichten will. Der Pantry-Schrank wird inspiziert und die Bordfrau ist hinsichtlich der Sauberkeit der vorgefunden Töpfe und Pfannen nicht gerade begeistert. Alles ist mehr oder weniger verölt. Da muss nochmals kräftig nachgearbeitet werden. Ansonsten sieht alles gut aus. Das Gelcoat glänzt und die Yacht macht einen gepflegten Eindruck. OK, die Segelgarderobe ist nicht die Neueste, aber brauchbar. Ich überprüfe die elektronischen Geräte an Bord. Der geniale GPS Plotter, der uns noch gute Dienste leisten wird, muss getestet werden, Funk (leider nur ein Handfunkgerät ohne ATIS-Kennung) tut seinen Dienst und das Echolot zeigt permanent eine Wassertiefe von 80 cm unter Kiel an. Heute werden wir leider nicht mehr ablegen können, denn unsere Genua ist zur Reparatur beim Segelmacher und soll erst am kommenden Tag geliefert und montiert werden. Zeit für ein Bierchen in der Hafenkneipe „Pyramide“ und gute Nacht für heute an Bord der Moucha II, ein Bootsname, an den ich mich erst noch gewöhnen muss.
15.06.2009 – Montag: Kein Wind aber dafür Mücken
Frühstück um acht Uhr, wie immer Brot, Salami, Käse und ein Frühstücksei sind ein Muss. Dazu frischer Kaffee aus der eigenen, mitgebrachten Kaffeemaschine. Um 09.30 Uhr kommt ein Mitarbeiter der Werft, um ein paar kleine technische Defekte zu beseitigen. Ein loser Schalter am Schaltpanel muss fixiert, diverse Schrauben am Gestänge der Kuchenbude müssen ersetzt, bzw. festgezogen werden. Endlich um 10.30 Uhr wird unsere Genua angeliefert und montiert und dann endlich um 12.30 Uhr kann unser Segeltörn beginnen. Unter Maschine die wenigen Kilometer nach Stavoren. Wind? Fehlanzeige! Ein Gewitter grummelt in der Ferne und ….ich habe schon wieder Appetit. Helga besorgt in Stavoren Kippeling und Pommes, garniert mit Knoblauchsoße. Dazu ein eiskaltes Bier! Super Service!
Und dann machen wir uns endlich auf den Weg über´s Ijsselmeer. Wir sind schon Jahre keine Schleuse mehr gefahren, aber es hat ja keinen Wind und so überstehen wir diese Hürde bestens. Draußen aus dem Vorhafen raus … Null Wind! Nichts, absolut nichts! Das kann ja heiter werden, denke ich mir. Das Ijsselmeer ohne Wind. Zurück nach Warns, nach Friesland? Auf keinen Fall! Rückzug wäre die falsche Entscheidung und so motoren wir eben nach Enkhuizen, werden unterwegs von der berüchtigten IJsselmeermücke belästigt, die es irgendwie auf unsere Moucha II (Moucha = Mücke auf tschechisch) und uns abgesehen hat und das Boot somit seinem Namen gerecht wird. Millionenfach umschwärmen uns die lästigen Viecher. Sprechpause ist angesagt, denn sonst hat man die unangenehmen Insekten im Mund, in den Ohren, in der Nase, einfach überall. Des Salons haben sie sich schon bemächtigt und ich fluche, weil ich keinen Staubsauger an Bord habe. Ich will auf der Stelle einen Staubsauger und schwöre bei Gott, im nächsten Hafen einen Staubsauger zu kaufen. Helga gibt mir unterdessen einen neuen Indianernamen: „Der mit den 1000 Mücken am Rücken.“ Nach gut 3 Stunden haben wir die 12,8 Meilen unter Motor überstanden und fahren in den uns schon von einem früheren Törn bekannten Buyshaven. Telefonisch erreiche ich irgendwie den Hafenmeister, der eigentlich schon Feierabend hat. Wir können an dem Steg, wo wir provisorisch festgemacht haben, liegen bleiben und gerne morgen bezahlen. Wir probieren eine Runde zu knobeln – wie langweilig. Na dann greifen wir eben zu einer anderen Alternative, einem frischen Weißwein aus Kühlbox Nr. 2 und versuchen es mit gepflegter Konversation.
Das Echolot zeigt immer noch 80 cm an, so wie den ganzen Tag schon …. Meine Programmierversuche an dem Kombigerät Clipper Duett, das wir von der eigenen Yacht her kennen, enden mit der Anzeige: 56 Meter. Verdammt tief, das Ijsselmeer! Ich werde darüber schlafen müssen und mich morgen – ohne Weißwein – aufs Neue mit der Lösung schwerwiegender, technischer Probleme versuchen. Es ist 22.30 Uhr, immer noch hell draußen und recht kühl und windig nach einem schwülen Tag. Gute Nacht.
16.06.2009 – Dienstag: Hecht, Hund und Häuser in Marken
Nach einer stürmischen Nacht in Enkhuizen, die Fallen klappern am Mast, fällt es uns nicht schwer, zeitig aufzustehen und bereits um 08.30 Uhr wird gefrühstückt. Anschließend bezahle ich beim Hafenmeister die Liegeplatzgebühr und um 10.30 Uhr laufen wir zur Schleuse aus, die das Markermeer mit dem Ijsselmeer verbindet. Nach wenigen Minuten sind wir „durch“ und haben die weite Fläche des Markermeeres vor uns.
Nordwind 4-5 bft, leicht bewölkt, Kurs 210 Grad. Bei diesem Kurs können wir alleine mit der Genua rund 4 Knoten erzielen. Das reicht! Die schräg von achtern kommenden Wellen werden mit jeder Seemeile, die wir uns von Enkhuizen entfernen höher und die Fahrt beginnt unruhig und mit jeder Seemeile, die wir unserem Ziel näher kommen, schneller zu werden. 5- 6 Knoten erreichen wir. Unser Navigationssystem „Geonav 4 Gipsy“ bewährt sich und bereits nach zwei Stunden können wir am Horizont schemenhaft die Insel Marken erkennen. Schon bald zeichnen sich die Konturen der Insel und des vorgelagerten Dammes ab, den wir umfahren müssen.
Ab hier halten wir uns genau nach dem Tonnenstrich, denn das Echolot zeigt nach wie vor ununterbrochen Unsinn an, nämlich tiefe 56 Meter. Um 16.30 Uhr legen wir in dem kleinen Inselhafen Marken an, der von einer schönen Häuserkulisse umrahmt wird. Wenig später bekommen wir Besuch vom Hafenmeister, der das Liegeplatzgeld kassiert. Immer wieder legen Ausflugsschiffe an, die den regen Touristenverkehr zwischen Marken und dem gegenüberliegenden Volendam abwickeln. Wichtigste Frage vor Ort: Gibt es hier einen Supermarkt? Unsere Bordvorräte haben in den letzten Tagen deutlich abgenommen und müssen dringend aufgefrischt werden. Keine 10 Fußminuten vom Hafen entfernt finden wir den Markt und vervollständigen unseren Proviant inklusive leckerem holländischen Käse. Frau Antje macht sich an diesem Tag allerdings rar. Danach unternehmen wir noch einen kleinen Abendspaziergang durch verwinkelte Gassen und bewundern die Bauweise der kleinen, grünen ehemaligen Fischerhäuser, die mit weißen Streifen verziert sind. Alles ist blitzsauber und gepflegt. Mit einem Brrrrr…wird Helga von einer niedlichen Katze stürmisch begrüßt und selbstverständlich ausgiebig gestreichelt. Im Dorfkanal beobachten wir einen Hecht, der dicht unter der Wasseroberfläche regungslos auf Beute wartet. Ein Wurfgeschoss auf die Wasseroberfläche erweckt ihn zum Leben. Blitzschnell ist er weg. Danach gibt es noch ein eiskaltes Bierchen im Lokal neben Sijtje Boes Souvenir. Helga hat sich heute den ersten Sonnenbrand zugelegt. Zum Abendessen genießen wir Wurstschnecken und Salat. Lecker – meint auch ein Hund, dem der Duft aus unserer Pantry in die Nase gestiegen ist und von seinem Herrchen zurückgehalten werden muss, um nicht bei uns an Bord zu springen. Mit diesem Hund namens „Fricka“ werden wir einige Tage später nochmals intensivere Bekanntschaft machen.
Der Wind flaut langsam ab, die Touristen haben die Insel verlassen und wir genießen einen romantischen Sonnenuntergang auf der sehenswerten Insel, die ursprünglich von Mönchen erschlossen und bewirtschaftet wurde. Wir sind heute 16,5 Nautische Meilen gesegelt und gespannt, ob wir morgen Amsterdam erreichen werden.
17.09.2009 – Mittwoch: Vorbei am Leuchtturm „Het paard van Marken“ in Richtung Amsterdam
8.00 Uhr: Wecken, Frühstück in Marken vor malerischer Kulisse. Eigentlich wollten wir an diesem Tag früher loskommen, aber wir haben es einfach nicht geschafft. Ein letzter Spaziergang durch Marken. Freche Spatzen stürzen sich auf alles Essbare. Wir beobachten eine perfekte Landung eines Vogels in der Kuchensahne einer Touristin.
Eine französische Fotografen- und Modeltruppe macht Fotos vor der Häuserkulisse am Hafen. Ein bildhübsches Fotomodel muss dazu immer wieder die gleichen 50 Meter mit dem Fahrrad auf und abfahren, begleitet von einem Mädchen, das nebenher läuft und die Szene mit einem speziellen Beleuchtungsspiegel aufhellt. In einer Aufnahmepause macht sich unbemerkt eine Katze über diesen Beleuchtungsspiegel her. Ein interessantes Spielzeug, findet die Katze und entsetzte Gesichter des Fotografenteams sind die Folge, als man das zerstörungswütige Tierchen bemerkt.
Helga besucht am Morgen noch das kleine Ortsmuseum auf der Insel, das von zwei älteren Damen geleitet und bewacht wird, die streng darüber wachen, dass der Besucher den Vortrag und den Videofilm über die Inselgeschichte auch konzentriert verfolgen. Ich kümmere mich währenddessen um das Großsegel, und bastle eine „Original Dehler Reffanlage“. Irgendein früherer Gast auf diesem Boot hat wohl die Reffleine entfernt und als Wurfleine am Rettungsring befestigt. Segler gibt’s…tztz. Egal, jedenfalls funktioniert das Reff jetzt einwandfrei und wir werden es heute noch brauchen, denn der Wind legt zu und wir wollen noch Amsterdam erreichen.
12.00 Uhr: Wir legen mit raumem Wind ab – 3 bft sind es schätzungsweise und umrunden die Insel Marken mit halbem Wind – vorbei am legendären Leuchtturm „Het paard van Marken“ (Pferd von Marken), der früher den nach Amsterdam oder von dort kommenden Schiffen den richtigen Weg wies. Hier müssen wir unseren Kurs ändern und haben plötzlich den Wind von vorne. Amsterdam mag uns nicht, aber dieses Mal gibt es kein Aufgeben und so kreuzen wir Schlag um Schlag hoch am Wind auf unser Ziel zu. Der Wind hat weiter zugelegt. 4-5 bft sind es mittlerweile und die Hackwelle macht uns zu schaffen. Drei volle Stunden lang geht´s gegenan aber dann ist es endlich geschafft und wir haben die IJ erreicht, den Fluss zur Stadt und zum Hafen von Amsterdam. Die letzten Meilen unter Motor bei starker Berufsschifffahrt. Ein Frachter nach dem anderen zieht an uns vorbei oder begegnet uns und konzentriertes Fahren ist notwendig.
Um 18.00 Uhr stehen wir endlich vor dem letzten Hindernis, einer beweglichen Brücke und der anschließenden Schleuse und Momente später sind wir in Amsterdam. Noch 15 Minuten aufpassen, damit wir den Aeolus-Hafen nicht verpassen, dessen Hafeneinfahrt ziemlich unscheinbar ist. Wir haben uns ganz bewusst gegen den bekannteren und überlaufenen Sixt-Hafen entschlossen, weil wir keine Freunde der sogenannten „Päckchenliegerei“ sind und in Ruhe ausschlafen wollen. Der Aeolus-Hafen, gerade mal 500 Meter vor dem Sixthaven in einem Seitenkanal gelegen, bietet Ruhe und Sicherheit. Gwen van Leren, im zivilen Leben Lehrerin, hat gerade (Club-) Dienst als Hafenmeisterin und ist uns beim Anlegen behilflich. Leider müssen wir dann unser Boot doch nochmals umlegen, da das Landstromkabel der Moucha II einige Meter zu kurz ist. „Römisch-Katholisch“ angelegt, erreichen wir dann ganz knapp die nächstgelegene Steckdose und unsere Kühlboxen können wieder ihren Dienst tun. Amsterdam – wir haben es endlich geschafft. Ich bin glücklich und wir belohnen uns mit einem kalten Bier von der Hafenmeisterin, die übrigens angeblich den Bodensee nicht kennt. Kaum zu glauben. Einen Euro will sie für ein Bierchen haben. Das nenne ich seglerfreundliche Preise. Hätte sie den Bodensee gekannt, hätte ich ihr bestimmt 1,50 € gegeben. Hier werden wir nun also die kommenden zwei Nächte verbringen (je Nacht 10 € Liegegeld, Duschen kostet 50 Cent, alles einfach aber sauber) und morgen die Innen- und Altstadt von Amsterdam, die auf der anderen Seite der IJ liegt, zu Fuß erkunden. 20 Seemeilen sind wir heute gesegelt. Wir sind müde und zufrieden.
18.06.2009 – Donnerstag: Amsterdam wir kommen
Nach dem Frühstück nehmen wir die kostenlose Fähre, die im 15-Minutentakt unseren Teil der Stadt mit der Innenstadt von Amsterdam, bzw. dem Bahnhof verbindet. Gegenüber hat das unter der Flagge von Gibraltar fahrende Kreuzfahrtschiff „Tahitian Princess“ festgemacht und wird von Versorgerschiffen mit allem beladen, was ein Riesendampfer auf einer Kreuzfahrt so benötigt.
Nachdem wir den trubeligen Bahnhof hinter uns haben, unternehmen wir einen Spaziergang durch die Altstadt. Hier gibt es historische Gebäude, Grachten, Haschkneipen, die sich hier Coffee Shop nennen. Haschwolken ziehen aus jeder Ecke und man trifft eine Menge komischer Gestalten, die mehr oder weniger ziellos durch die Straßen irren. Fahrräder ziehen seltsame Holzkisten auf Rädern, in denen Mütter ihre Kinder transportieren. Wer bremst, verliert! Selbst die zahlreichen Katzen scheinen hier bedröhnt, bzw. bekifft zu sein zu sein. Im Stadtzentrum entdecke ich sehr hübsche berittene weibliche Polizei, die sich darüber freut, fotografiert zu werden. In jeder Frau steckt halt ein kleines Model. Wie gut, dass wir Männer nicht halbwegs so eitel sind. :)
Daneben gibt es deftige Preise in den zahlreichen Straßencafe´s und wir entschließen uns bald, den üblichen Durst auf´s Notwendigste zu begrenzen. Für eine Halbe zahlt man hier zwischen 5 und 7,50 € und Essen zu gehen ist fast unerschwinglich, wenn da nicht die sparsame schwäbische Bordfrau eine türkische Pizzeria entdeckt hätte, bei der wir für sage und schreibe 2 € für eine Pizza bezahlen (und die hat nicht mal schlecht geschmeckt). Der Hunger treibt´s halt rein. Langsam bekommt man vom Wandern müde Beine und es zieht uns in unseren ruhigen Aeolus-Hafen, wo wir den Abend mit Hacksteak aus Putenfleisch (igitt...ich hasse Geflügel, esse aber das Zeugs, um des lieben Friedens willen), Kartoffelsalat, Rotwein und Genever ausklingen lassen. Wir checken noch unseren Verbrauch an Rotwein auf dem bisherigen Törn und sind entsetzt. Einzelheiten hierzu erspare ich den verehrten Leserinnen und Lesern unseres Törnberichtes.
Spät am Abend verabschieden die Schiffe im Amsterdamer Hafen die „Tahitian Princess“ mit ihren Schiffssirenen. Gute Nacht an Bord der Moucha II, an der ich mir heute zweimal den Kopf blutig angeschlagen habe. Vielen Dank dafür! Vermutlich tut sie das so lange, bis ich mir ihren Namen merken kann. Moucha II. Moucha II!
19.06.2009 – Freitag: Briten in Not
Amsterdam adieu ! Der Centrale Meldepost Lelystadt meldet für heute Windkracht 4-6 Bft West. Ideal, um bis zur Insel Marken oder Volendam zu kommen. Wir laufen um 10 Uhr aus dem Aeolus-Hafen aus und reihen uns in die Berufsschifffahrt Richtung Oranjesluit ein. Das Schleusen gelingt trotz heftiger Böen von achtern. An der gleich folgenden Brücke müssen wir jedoch warten und haben keine Lust fest zu machen. So ziehen wir zusammen mit einer britischen Segelyacht unter Maschine unsere Kreise vor der Brücke. Um 11.00 Uhr öffnet die Schleuse und wir können sofort die Genua setzen und vorbei an der Festungsinsel Pampus, die wir querab entdecken, in Richtung Marken fahren. 5-6 Knoten nur unter Vorsegel, das ist beträchtlich und so kommen wir gut voran. Die Wellen werden immer steiler von achtern, unser kleines Schiff geigt und wir werden kräftig durchgeschüttelt. Es scheint fast so, als ob uns Amsterdam loswerden möchte und uns noch gewaltig was auf die Mütze schicken will. Plötzlich entdecken wir, dass die britische Yacht, die uns an der Schleuse begegnet war, Probleme hat. Irgendwie sieht das alles sehr komisch aus, was die da drüben machen. Das Vorsegel steht komisch, aber sie geben kein Signal, dass sie unsere Hilfe benötigen und setzen auch keinen Hilferuf auf Kanal 16 ab. Na ja, drei wackere Briten an Bord, die werden das schon richten, denke ich mir und fahre weiter.
Bald erreichen wir das „Pferd von Marken“ und ich hoffe, im Windschatten der Insel etwas ruhiger weiter segeln zu können. Weit gefehlt, denn plötzlich haben wir die Hackwelle von vorne. Natürlich hätten wir uns noch stundenlang gegen den heftigen Wind, der mittlerweile mit 7 bft bläst, austoben können, aber wer braucht das schon und so entscheiden wir uns für die Motorlösung. Die 9 PS Maschine schafft es gerade so, uns gegen die Wellen voranzubringen. Wir umrunden die Insel und entschließen uns Volendam anzulaufen, natürlich brav im Tonnenstrich, denn unser Echolot zeigt nach wie vor keine vernünftigen und verlässlichen Werte an. Verdammt trügerische 56 Meter. Welle für Welle überrollt uns und die Duschen, die uns überrollen, sind unangenehm frisch.
Endlich erreichen wir die Marina Volendam und man weist uns am Meldesteiger Liegeplatz 57 A zu. Nach einer heißen Gulaschsuppe mit Rotwein verbessert (aha….daher rührt unser hoher Rotweinverbrauch) und Brot sind die Lebensgeister geweckt und wir entschließen uns zu einem Spaziergang in den Hafen und das Ortszentrum. Das Handwindmessgerät zeigt selbst im Hafen in Böen 7+ bft. an. Ein hübscher, kitschiger Ort ist dieses Volendam mit seinen Souvenirläden und einer Unzahl von Kneipen. Wer´s mag, der mag´s halt und wir mögen es (Natürlich kenne ich auch andere Beschreibungen dieses Touristenstädtchens). Im Passantenhafen treffen wir dann die drei wackeren Engländer wieder und sie berichten von einem harten Trip, härter als die Hinfahrt über die Nordsee und können nicht verstehen, dass das Ijsselmeer in vielen Foren immer wieder als Anfängerrevier bezeichnet wird. Ihr Spi-Baum, den sie zum Ausbaumen der Genua verwendet haben, ist unterwegs gebrochen und sie hatten bei dem Schwell alle Hände voll zu tun, um den Schaden zu beseitigen. Über eine Stunde lang kämpften sie mit Wind und Wellen, bis der gebrochene Baum und das Segel endlich geborgen werden konnten. Die Jungs sind aber gut drauf und genehmigten sich bestimmt noch ein paar Bierchen am Abend – auf den Schreck hin. In fast jedem Fenster von Volendam sitzt oder liegt eine Katze. Auf der Motorhaube eines Fahrzeugs hängt ein Betrunkener und schläft seinen Rausch aus. Auch morgen soll das Wetter so stürmisch bleiben. Erst für Montag ist ruhigeres Wetter angesagt. Wir werden wohl noch einen Tag hier bleiben. Im Supermarkt erstehe ich noch einen Dosenöffner, da sich das „Bordmodell“ als total verrostet und nicht mehr funktionsfähig erweist.
Abends habe ich dann noch meine Probleme, das Tor der Hafenanlage zu öffnen. Alles vollautomatisch und modern hier, aber schnell kommt eine Belgierin zu Hilfe, die wohl auch in dem Hafen Schutz vor dem Wetter sucht. Sie erklärt: „You must drucken op de pahl und dann opens die Tür…“ oder so ähnlich. Ok ich habe verstanden. „Dank u well“ sage ich und verschwinde. Frauen und Technik und so...
20.06.2009 – Samstag: Reparaturen am Echolot und Insidertipps über Land und Leute
Volendam – Hafentag. Bereits morgens singt Aeolus sein Lied mit 4-5 bft. Dazu gibt es immer wieder tiefschwarze Wolken und die eine oder andere Dusche von oben. Frische Brötchen gibt es im Supermarkt gleich nebenan. Mich ärgert nach wie vor, dass das Echolot immer noch Mist anzeigt und da wir viel Zeit haben, mache ich mich heute intensiv an die Fehlersuche. Ich verfolge das Geberkabel bis zu seinem Ursprung und kann den verdammten Innengeber zuerst einfach nicht finden. Endlich entdecke ich das Teil, liegend, vom Schiffsrumpf abgebrochen in der Vorschiffs-Bilge hinter einer Leiste. Kein Wunder, dass damit kein vernünftiges Signal mehr zu bekommen war. Der Geber war wohl ursprünglich mit Polyester-Spachtel befestigt worden und da sich Epoxy und Polyesterspachtel nicht dauerhaft verkleben lassen, musste es zwangsläufig zu diesem Schaden kommen. Ich entschließe mich zur Sanierung des Problems, besorge Epxoykleber, Schleifpapier und einen Pinsel, entferne mechanisch die Spachtelreste am Rumpf, schleife alles fein säuberlich an und vergieße den gereinigten und geschliffenen Innengeber mit Harz. Drei Stunden Aushärtezeit, in denen keinerlei Signal zu bekommen ist, nerven mich. Danach sollten wir eigentlich wissen, ob die Reparatur erfolgreich war. Nach dem Aushärten programmiere ich das Echolot „Clipper-Duett“ neu (ich kenne das System von unserer eigenen Yacht), gebe Kiel-Offset 120 cm ein und erhalte auf dem Display eine Wassertiefe von 150 cm unter dem Kiel angezeigt (Das hätte jetzt die schlaue Belgierin sehen sollen, die mir den Türöffnungsmechanismus erklärt hat). 150 cm – das sieht gut aus und ich erkundige mich beim Hafenmeister nach der tatsächlichen Wassertiefe. Ca. 270 cm! Könnte stimmen. Genau werden wir es aber erst morgen wissen, wenn wir das Boot wieder bewegen. (Übrigens: Alle entstandenen Materialkosten wurden von unserem Vercharterer nach telefonischer Rückfrage sofort, problemlos und unbürokratisch übernommen und erstattet).
Die Arbeit ist erledigt und wir entschließen uns nochmals zu einem Spaziergang in den Hafen, zur Touristenmeile mit den vielen Souvenirläden. Zeit für ein frisch Gezapftes und ein paar Souvenirs. Im Hafen entdecken wir Fricka, den netten Hund, der unser Boot vor ein paar Tagen wegen des Würstchengeruches entern wollte auf einer sehr gepflegten Stahlyacht (Typ Merenpoort) wieder. Wir plauschen ein wenig mit den Eignern des schönen Bootes und werden an Bord auf ein Bierchen eingeladen.
„Fricka“ schließt schnell Freundschaft mit uns und wir laden das nette Ehepaar für den Abend auf ein Glas Rotwein zu uns an Bord ein. Die Diskretion verbietet mir, hier die genaue Anzahl der verkosteten Flaschen zu nennen. Jedenfalls war es ein netter und lustiger Abend an Bord und wir konnten von dem deutschen Ehepaar, das ihr Boot fest in Holland liegen hat, viele touristische Insidertipps über Land und Leute erhalten. Schluss für heute, morgen sollten wir unbedingt Enkhuizen erreichen, den Ausgangspunkt für die Überfahrt nach Friesland, wo wir die zweite Urlaubswoche verbringen werden.
21.06.2009 – Sonntag: Rummel in Enkhuizen
Für uns ist heute Urlaubs-Halbzeit und Zeit sich auf den Weg nach Friesland zu machen. Die Windvorhersage ist Nordwest- Nord drehend 3-4 bft. Start 11.00 Uhr mit einem Reff im Großsegel und halb ausgerollter Genau erreichen wir nach drei Stunden den Tonnenstrich (für Nichtsegler – ein Tonnenstrich ist nichts Unanständiges), der die Einfahrt zur Schleuse markiert. Der Wind hat zugelegt, inzwischen werden 5 bft erreicht und der Wind dreht weiter nach Nord. Genau in besagtem Tonnenstrich bekommen wir zusätzlich zum Wasser von vorne auch noch eine eiskalte Dusche von oben, nehmen die Segelgarderobe herunter und setzen die Fahrt bis zur Schleuse unter Maschine fort (Segelpuristen werden mich dafür hoffentlich nicht steinigen…).
Das Schleusenmanöver in Enkhuizen gelingt (die Routine macht´s). Es ist noch früh am Tag und wir überlegen, ob wir nicht gleich anschließend das Ijsselmeer überqueren sollen, geben diesen Plan aber schnell auf, nachdem sich die Ijsselmeer-Hackwelle bei Nordwind bereits im Vorhafen unangenehm bemerkbar macht. Helga hat Migräne und so entschließen wir uns, die Überfahrt über´s Ijsselmeer um einen Tag zu verschieben und eine Übernachtung im Buitenhafen/ Enkhuizen einzuplanen. Über Funk melde ich mich beim Hafenmeisterbüro an und bekomme die Anweisung, ich solle mir irgendeinen freien Platz im Hafen nach eigener Wahl nehmen. Nach dem Festmachen suche ich vergeblich einen Hafenmeister, bzw. das Hafenmeisterbüro. Ein freundlicher Liegeplatznachbar erklärt mir das Verfahren im Buitenhaven. An einem Automat muss der Hafengast die Bootslänge eingeben, die Anzahl der Personen an Bord, die Anzahl der geplanten Übernachtungen und bekommt anschließend den zu bezahlenden Betrag auf dem Display angezeigt. Nachdem man per Kreditkarte bezahlt hat, druckt der Automat einen gelben Aufkleber aus, der sichtbar am Boot befestigt werden muss. Strom ist nicht inklusive und muss extra bezahlt werden. Ich verfahre wie angeordnet, aber ich will ganz ehrlich sein, mir gefällt dieser unpersönliche Ablauf überhaupt nicht.
Der Buitenhaven ist zwar außerordentlich schön in der Altstadt von Enkhuizen gelegen, in den Sommermonaten aber meist hoffnungslos überfüllt. Es wird dann im Päckchen festgemacht. Wir aber lassen heute unsere Fender im Boot und signalisieren so den später eintreffenden Booten, dass wir heute keine Päckchengesellschaft wünschen, da wir am kommenden Morgen so früh wie möglich in Richtung Stavoren oder Lemmer aufbrechen wollen. In Enkhuizen habe ich mit dem an Bord befindlichen Handfunkgerät keinen Empfang von Kanal 1 Lelystadt und kann die Wettervorhersagen dummerweise nicht abhören.
Später machen wir noch einen Spaziergang durch Enkhuizen. Es ist „Rummel oder Kirchweih“ und wir hoffen, dass die Veranstaltung bald enden wird, damit wir eine ungestörte Nachtruhe genießen können, was leider nur bedingt gelingt. Die Kirchtürme in Enkhuizen spielen im 15-Minutentakt ihr musikalisches Repertoire in Form diverser Glockenspiele ab, was grundsätzlich sehr angenehm sein kann, wenn man nicht gerade unter Migräne leidet und schlafen will. Als gegen später dann noch ein „Partyboot“ mit Jugendlichen und dröhnendem Discosound anlegt, ist es mit der Nachtruhe endgültig vorbei und ich mache mir Sorgen wegen Helga, die wohl auch morgen ausfallen wird und ich stelle mir langsam die Frage: „Wie bekomme ich morgen bei diesen Wellen, Boot und Mannschaft sicher und halbwegs komfortabel übers Ijsselmeer? Ist Stavoren zu schaffen oder nehme ich den weiteren Weg nach Lemmer, der windtechnisch gesehen günstiger liegt?“ Über diesen Gedanken schlafe ich dann endlich doch noch ein. Ich werde mich morgen einfach nach Wind und Wetter richten.
Heute sind wird rund 18 nautische Meilen gesegelt. Die Liegeplatzgebühren im Buitenhaven betragen 12 €, zzgl. WC-Gebühren, Duschen und Strom.
22.06.2009 – Montag: Durch Wind und Wetter: Überfahrt übers Ijsselmeer
Heute steht die Überfahrt übers Ijsselmeer auf dem Programm. Wind nach wie vor 360 Grad, also exakt aus Nord, Windkracht 4 bft. Ein Liegeplatznachbar mit fester Funkanlage versorgt mich mit den neuesten Wetterinformationen. Stavoren scheidet bei dieser Windrichtung aus und so kommt für mich nur Lemmer in Frage, das mit einem Kurs von 60 Grad erreichbar sein sollte. Helga fällt, wie befürchtet, migränebedingt aus. Sie will per Bahn oder mit dem Schiff das friesische Ufer erreichen. Drüben wollen wir dann per Mobilfunk Kontakt aufnehmen und entscheiden, wo wir uns treffen werden. Ich bereite mich auf meinen Einhandtörn über´s Ijsselmeer vor, Reff II, Rettungsweste, Lifebelt. Dann programmiere ich noch den Kartenplotter und lege um 09.30 Uhr im Buitenhaven Enkhuizen ab. Bereits im Vorhafen setze ich das Großsegel, um draußen bei der Welle keine Probleme zu bekommen. Der Ritt übers Ijsselmeer kann beginnen. Nach wie vor sind viele dunkle, regenträchtige Wolken am Himmel. Exakt muss ich meinen Kurs halten, der teilweise sehr knapp am Enkhuizer Sand vorbeiführt, um mein Ziel zu erreichen. Nur keine Legerwall-Situation provozieren! Wegen der Wellen und des Kurses hoch am Wind komme ich nur langsam voran. 4 Knoten im Schnitt schaffe ich und bereits nach einer Stunde Fahrt weicht der Damm, der das Ijsselmeer vom Markermeer trennt, immer weiter zurück. Der Enkhuizer Sand ist kein Thema mehr und ich finde Gefallen daran, so eine Strecke „Einhand“ zu bewältigen. Inzwischen empfange ich auf UKW wieder den zentralen Meldeposten Lelystadt. 4 bis max 5 Bft sollen es werden. 5 Bft auf dem Ijsselmeer steht für eine unangenehme Welle und ich hoffe, dass das Horn von Stavoren auf meiner Backbordseite die Wellen etwas abschwächen wird und wie erhofft, kommt es dann auch auch so. Mittlerweile dreht der Wind etwas zu meinen Ungunsten und ich bin mir eine Zeit lang nicht sicher, ob ich den Kurs von 60 Grad halten kann. Dann entdecke ich voraus ein mit schwarzen Flaggen gekennzeichnetes Gebiet, in dem ein Fischkutter Netze einholt. So muss ich notgedrungen einen Holeschlag in Richtung Stavoren fahren. Er bringt mir mehr Höhe und als das Gebiet umfahren ist, bin ich mir sicher, den Kurs nach Lemmer doch auf einem Bug fahren zu können, zumal ich inzwischen zu meiner großen Freude hin und wieder einen Kurs von 40 Grad erreiche und die Abdrift wegen der niedrigeren Wellen geringer geworden ist. In südlicher Richtung beobachte ich einen Militärjet, der über dem Markermeer mehrere Loopings dreht. Eine große Segelyacht verfolgt mich eine Zeit lang, dreht aber wieder Richtung Enkhuizen ab. Inzwischen kommt die erwartete und angekündigte Wetterbesserung mit Sonnenstrahlen und immer größeren Wolkenlücken. Der UKW Kanal 1 korrigiert seine Wetterprognose und meldet 4 Bft.
Immer tiefer stoße ich in die Lemmerbucht vor und die erste größere Anzahl Segelboote sind auszumachen. An meiner Steuerbordseite erkenne ich den Tonnenstrich, der die Strecke von Lelystadt nach Lemmer markiert. Es ist hier einiges an Berufsschifffahrt unterwegs. Endlich habe ich wieder Mobilfunkempfang und Helga meldet sich per SMS. Sie ist mit der Fähre von Enkhuizen nach Stavoren unterwegs. Nach mehrmaligem Versuch (Wellen – der Feind jeder SMS-Tipperei) gelingt mir die Antwort „alles OK an Bord“.
Um 13.30 Uhr hole ich die Segel ein und fahre in den Wartebereich der Schleuse „Princess Margriet Sluis“. Um 14.00 Uhr schleuse ich zum ersten Mal „Einhand“. Man könnte es noch deutlich besser machen, aber letztlich klappt alles bestens. Schönheitspreise bekommt man woanders. Helga ist mittlerweile in Stavoren angekommen und per Bahn nach Sneek unterwegs. Von dort will sie den Bus nach Heeg nehmen, wo wir uns treffen wollen. Ich muss in nördlicher Richtung noch einige Seemeilen unter Maschine auf dem Princess-Margriet-Kanal fahren, bevor ich dann nach Westen in den Johan-Friso-Kanal abbiegen kann, der zum Heeger Meer und nach Heeg führt, wo Helga und ich mich treffen wollen. Helga ist inzwischen im Eendracht-Hafen von Heeg eingetroffen und hat bereits einen Liegeplatz organisiert. Gegen 17.00 Uhr habe ich dann mein Ziel erreicht.
Gleich nach dem Festmachen entschließen wir uns, die dem Hafen gegenüberliegende Fischhalle und das dem Fischbetrieb vorgelagerte Terrassenlokal zu besuchen und uns dort mit Palling, Pommes, einem Grolsch und einen Genever für diesen Tag zu belohnen. Wir werden nicht enttäuscht und können dieses Lokal, das wir seit Jahren immer wieder gerne besuchen, nur wärmstens weiter empfehlen.
Inzwischen sind wir wieder an Bord, Helga, die nach wie vor unter den Nachwirkungen der Migräne leidet, zieht sich in ihre Koje zurück und ich schreibe noch ein bisschen an meinem Tagebuch, trinke ein Gläschen Rotwein, lasse diesen Tag und 27 Seemeilen / rund 50 km Einhand nochmal Revue passieren und ertappe mich dabei, dass ich diesen Tag auf dem Ijsselmeer keinesfalls bereut und diesen Törn letztlich sogar genossen habe, besonders nachdem ich wusste, dass ich auf meinem Kurs Lemmer ohne Umwege erreichen kann. Gute Nacht Heeg – die zweite Woche in Friesland werden wir etwas geruhsamer angehen.
23.06.2009 – Dienstag: Verlassenes Gaastmeer
Nach einer ruhigen Nacht in Heeg werde ich morgens zum Bäcker geschickt (nein ich gehe freiwillig), um frische Brötchen zu holen. Helga unternimmt einen Großeinkauf im örtlichen Supermarkt, um die Bordvorräte aufzufrischen. Spät, erst gegen 12.00 Uhr legen wir ab, um auf einer der kleinen Inseln im Flüssen, einem 14 km langen Meer, Rast zu machen und zu grillen. Leider sind die kleinen, künstlich aufgeschütteten Inseln überfüllt und so segeln wir bei 4 Bft. und blauem Himmel noch ein paar Meilen vor dem Wind. Anschließend kreuzen wir die Strecke wieder zurück, aus „reinem Spaß an der Freud`“ und biegen dann nach Norden in´s Große Gaastmeer ab, das wir ja von früheren Törns her bestens kennen.
Wir sind die einzigen Hafengäste in Gaastmeer an diesem Dienstag. Auf dem kleinen Spielplatz im Hafenareal wird der Grill aufgebaut und plötzlich bläst mir der kräftige Wind die Tüte mit den restlichen Schrauben weg. So ein Mist! Die im Hafen ansässige Werft hilft mir mit Schrauben und Muttern aus der Klemme. Es gibt Lammspießchen und Schweinesteaks. Helga macht Salat. Dazu gibt es Rotwein „as usual.“ Abends unternehmen wir noch einen Spaziergang in den kleinen Ort Gaastmeer - auf einen Cappuccino, den wir auf einer idyllisch gelegen Terrasse des einzigen Restaurants vor Ort zu uns nehmen. Mehr gibt es von diesem Tag nicht zu berichten, außer dass wir immerhin 17,4 NM gesegelt sind und dass die Gasflasche leer ist. Morgen früh gibt es demnach keine Frühstückseier. Heißer Kaffee ist allerdings kein Problem, da wir (wohlweislich) eine (die eigene) Kaffeemaschine an Bord haben. Die Hafengebühr richtet sich nach der Bootslänge: 7,80 Meter * á 1,-€ / Meter = 7,80 € inklusive Strom. Duschen extra.
24.06.2009 – Mittwoch: Schwimmfähige Särge
Natürlich gibt es gerade in Gaastmeer keine passende Gasflasche (5,9 kg) und wir müssen nach dem Frühstück zurück nach Heeg. Dort wird getankt, die passende Gasflasche besorgt und anschließend fahren wir unter Maschine über den Friso-Kanal und den Princess-Margriet-Kanal zum Sneekermeer. Fünf Windstärken aus Nord lassen das Sneekermeer kochen. Wir wollen zum Restaurant „De Klokkestool“, wo es meiner Ansicht nach die besten Pfannkuchen der Welt gibt. Wir bestellen Boerrenomelett, (Möhren, Zwiebel, Paprika, Speck). Während wir den Pfannkuchen genießen, beginnt plötzlich die Glocke des Glockenstuhls zu läuten – gefühlte 30 Minuten lang. Wir entdecken, dass auf dem kleinen angrenzenden Friedhof ein Bedauernswerter zu Grabe getragen wird – und mir fällt spontan ein, dass hier in Friesland die Särge vermutlich schwimm- und segelfähige Konstruktionen sein müssen, denn für den Friesen muss nach meiner Vorstellung der Segelsport auch in seiner nachirdischen Existenz bestimmt eine wichtige Rolle spielen.
Nach dem Essen fahren wir mit der Ketten-betriebenen Selbstbedienungsfähre auf die kleine Insel gegenüber des Gasthofes. Dort haben wir unser Boot festgemacht. Wir verlassen den kleinen Restauranthafen durch die immer geöffnete, schmale Schleuse zum Sneekermeer. Ab hier fahren wir mit der Genua, überqueren das Sneekermeer und mit Vorwindkurs geht es mit 5 Knoten raumschots über den Princess-Margriet-Kanal bis zur Abzweigung nach Sneek. Eine konkrete Vorstellung, wohin wir genau fahren und übernachten wollen, haben wir noch nicht und so fahren wir immer weiter in das Zentrum der Stadt, bis uns eine Brücke den Weg versperrt, entnehmen der Karte, dass noch X Schleusen zu bewältigen wären, um direkt in das Zentrum zu kommen und entschließen uns, einen am Stadtrand gelegenen Hafen zu nehmen und abends noch einen Spaziergang in die Stadt zu machen. Plötzlich geht aus unerklärlichen Gründen ein (schwimmfähiger) Schuh der Bordfrau in dem engen Kanal über Bord und wir fahren zur Belustigung der Passanten am Ufer ein perfektes SOB-(Schuh über Bord) Manöver. Beifall von den Rängen! Wir haben die Deutsche Seefahrt nicht blamiert.
Im „de Domp Hafen“ wird übernachtet (zu teuer). Am Abend spazieren wir noch an die Stelle, wo wir das herrliche SOB-Manöver gefahren haben. Zufälligerweise ist dort auch eine nette Kneipe, wo uns ein gepflegtes Pils vor dem Verdursten rettet. Heute waren es 19 Seemeilen, meistens unter Maschine. Ein netter, aber total unspektakulärer Urlaubstag.
25.06.2009 – Donnerstag: Friesischer Whisky und endlich Urlaub
Wolkenlos, Sonne 23 Grad, Wind 3-4 Bft. Abfahrt Sneek, Ziel Heeg und Gaastmeer. Vorwindkurs auf dem Princess-Margriet-Kanal, danach weiter Halbwind auf dem Friso-Kanal nach Heeg. Anlegen an der Fischhalle. Mehr fiel uns für heute noch nicht ein. Kippeling mit Pommes und Knoblauchsauce. Weiterfahrt in die Stadtmitte in den Passantenhaven. Bei „Yachtbedarf de Jong“ hole ich nochmals Epoxykleber und ersetze die provisorischen Reffbändsel. Helga besorgt Steaks. Wir wollen nochmal Grillen.
Um 15.00 Uhr fahren wir unter Genua nach Gaastmeer. Ich repariere, im Hafen angekommen, eine 12-Volt-Steckdose am Schaltpanel, welche wohl mal provisorisch auf der Rückseite mit Heißkleber fixiert worden war. Diese 12- Volt-Steckdosen werden beim Betrieb einer Kühlbox ganz schön heiß. Zu heiß für den Tropfen Heißkleber, aber nicht zu heiß für Epoxy, meinem Lieblingsmaterial.
Das Grillen verschieben wir auf morgen und gehen stattdessen in das Bauernhof-Restaurant am Hafen auf ein Bierchen. Anschließend probieren wir noch einen friesischen Whisky. Zu Essen gibt es heute nur noch Tomatenhering aus der Dose und Brot.
Beim abendlichen Schreiben meines Tagebuchs bemerke ich, dass die täglichen Einträge von Tag zu Tag knapper ausfallen. Ganz offenbar sind wir zu diesem Zeitpunkt richtig im Urlaub angekommen.
26.06.2009 – Freitag: Michael Jackson im Gaastmeer
Bereits morgens hören wir Michael Jackson-Hits auf allen Radio-Kanälen. Er war in der Nacht (Ortszeit) in L.A. völlig überraschend verstorben. Nieselregen, es ist schwülwarm. Gegen 11.00 Uhr laufen wir unter Maschine aus, setzen aber bereits im Kanal Richtung Flüssen/ Heegermeer die Genua und rauschen nach Süden, zur Insel „Nije Kreuzpole.“ Dort bauen wir unseren Grill auf, beobachten einige missglückte An- und Ablegemanöver anderer Segler und greifen ein, wo Hilfe notwendig und erwünscht ist (…was nicht immer der Fall ist. Die emanzipierte Einhandseglerin mit dem netten friesischen Jagdhund beispielsweise fährt sich lieber ein Loch ins Vorschiff, als sich beim Anlegen helfen zu lassen). Steaks und Sate stehen auf dem Grillprogramm und Helga zaubert einen Salat mit Knoblauch, Oliven, Tomaten und grünem Salat. Plötzlich beobachten wir, wie eine Gruppe Enten ein Boot „entert.“ Die Leute an Bord bemerken zuerst gar nicht, dass sie Entenbesuch bekommen. Und die Enten bemerken im umgekehrten Sinne die Besatzung nicht. Ein großes „Hallo und Gezeter“ an Bord, bis die lustige Entenschar vertrieben und wieder verschwunden ist. Inzwischen hat die Sonne wieder Oberhand gewonnen, 3-4 bft aus Nord-Ost. Wir legen von der kleinen Insel ab und kreuzen mit einem Reff in Richtung Heeg. Ab 30 Grad Krängung quietscht der menschliche (weibliche) Kränkungsmesser an Bord (Anmerkung: Bei 25 Grad öffnet sich bereits ein drohendes Auge). In der Hafenkneipe Heeg wird anschließend friesisches Weizenbier probiert. Danach gibt es an Bord Nürnberger Würstchen mit Kraut und Kartoffelpüree. Mit einem „Vin de pays de l´herault“ beschließen wir den Tag. Morgen ist unser letzter Segeltag vor Urlaubsende.
27.06.2009 – Samstag: Der letzte Tag in Friesland
Unser letzter Tag in Friesland. Nach dem Frühstück in Heeg unternehmen wir noch einen Einkaufsbummel in dem netten Städtchen, erstehen verschiedene Souvenirs und segeln dann bei leichtem Vorwind in 3 ½ Stunden nach Warns. An der Warnser Brücke holen wir das letzte Mal die Segel ein. Wir entladen unsere Moucha II. Danach gibt es Spaghetti al dente à la Helga. Es ist 21.20 Uhr und wir sitzen da auf unserem geputzten Schiffchen, das uns 14 Tage lang Sportgerät und Wohnung zugleich war, wie bestellt und nicht abgeholt, denn erst morgen um 9:00 h soll die Bootsabnahme und die Übergabe durch den Hafenmeister erfolgen. Ich vervollständige noch meine „to do“ - Liste, damit unsere Charternachfolger alles in Ordnung vorfinden und einen gleichermaßen kurzweiligen und sicheren Segelurlaub wie wir auf der Moucha II verbringen können. Heute haben wir nur 8 nautische Meilen zurückgelegt. 8 von immerhin 220 in 14 Tagen. Das sind rund 420 km. Nördlich von uns zieht ein Gewitter durch, das seine Energie längst verloren hat. Es ist schwülwarm und die ersten Stechmücken machen Visite an Bord.
Morgen haben wir 820 Straßenkilometer zum Bodensee zurückzulegen. Es gäbe hier noch so viel zu entdecken oder zu wiederholen und wir sind ein bisschen traurig, dass der schöne Urlaub schon wieder vorbei ist. Einen Staubsauger habe ich übrigens – aus Mangel an Gelegenheit – unterwegs nicht mehr erstanden.
Nachsatz: Wir werden jederzeit gerne wieder bei Firma CW-Yachting, Bobenheim https://www.cw-yachting.de chartern und können den Charterbetrieb mit gutem Gewissen weiter empfehlen.
Text und Fotos: Rudolf Dold
Revierführer Ijsselmeer | Markermeer
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