Kapverden/Südlicher Nordatlantik: Segeltörn mit einigen Hindernissen
Überführung einer Segelyacht von den Kapverdischen Inseln bis nach Teneriffa
Im März 2013 machten sich sechs unerschrockene Segler auf, um eine 15-Meter-Segelyacht von den Kapverdischen Inseln bis nach Teneriffa zu überführen. Es war die erste – und schwierigste – Strecke von insgesamt vier Etappen, in dessen Verlauf das Schiff von den Kapverden bis nach Kroatien gebracht und es dann im Charterbetrieb eingesetzt werden sollte.
„Nicht im Frühjahr auf dem Atlantik“
Die Planungen begannen bereits im Jahr zuvor. Auf der Boot Düsseldorf wurde mit dem Charterunternehmer Kontakt aufgenommen, um die Modalitäten abzuklären. Dieser wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dieser Überstellung nicht um einen Sommer-Badetörn handeln würde und unterstrich dies mit den Worten: „Nicht im Frühjahr auf dem Atlantik!“ Weitere Crew-Mitglieder wurden deshalb rekrutiert, sodass letztlich sechs Segler für den Törn bereit standen.
Dann galt es, etliche Versicherungen abzuschließen wie Skipper-Haftpflicht, Reiserücktritt, Auslandskrankenversicherung, Kautionsversicherung und Ähnliches. Es folgten die Impfungen und der Gesundheits-Check, schließlich noch die Formalitäten rund um Visa und Flugtickets. Für alle Fälle wurde noch ein Satellitentelefon für die Atlantikpassage geordert, da die Segelroute fernab der Schifffahrtswege liegen sollte und ein Anlaufen der afrikanischen Küste (Senegal, Mauretanien, West-Sahara) ausdrücklich verboten worden war. Normaler Funkkontakt würde demzufolge unmöglich sein.
Besichtigungstour durch Mindelo mit seinen gut erhaltenen Kolonialbauten
(Fotos: Bernd Stuss/Alfred Geißmann/Peter Wirtz)
Mitte März ging es dann mit dem Ferienflieger zuerst nach Gran Canaria, von dort nach Sal, der Hauptinsel der Kapverden, und weiter nach Sao Vicente und zum Hafen von Mindelo. Ging auf der ersten Strecke alles gut, so war der Anschlussflug mit Cabo-Verde Airline trotz Buchungsbestätigung überbucht, so dass wir bis zum Abend auf den letzten möglichen Flug nach Sao Vicente warten mussten. „So ist Afrika“, lautete dazu der lapidare Kommentar des Flugpersonals. Mitten in der Nacht erreichten wir Mindelo, wo wir trotz später Stunde noch eine angenehme Pension fanden und erschöpft in den Schlaf sanken.
Das Frühstück am nächsten Morgen war ausgezeichnet und von der Dachterrasse aus glaubten wir auch schon unsere Yacht im Hafen zu erkennen. Also ging es schnell hinunter zur Marina, um das Schiff zu inspizieren. Zu unserer Enttäuschung trafen wir auf ein total mit Wüstensand bedecktes Segelschiff, das alles andere als die erwartete Luxusyacht darstellte. Der Stützpunktleiter beruhigte uns jedoch damit, dass bald die Reinigungsmannschaft kommen und man uns ein tipptopp gereinigtes Schiff übergeben würde.
Nur wenig überzeugt machten wir uns auf zu einer Besichtigungsrunde durch die quirlige Hafenstadt Mindelo. Die Kapverden waren bis 1975 portugiesische Kolonie, was sich im gesamten Stadtbild noch positiv bemerkbar macht. Viele Bauten aus der Kolonialzeit sind in sehr gutem Zustand und überaus sehenswert. Die Menschen wirken entspannt und freundlich. Unsere Stimmung wurde deutlich besser.
Proviant für sechs Personen und zehn Tage auf See
Am nächsten Tag mussten wir uns um Proviant und Trinkwasser für sechs Personen für die geplanten zehn Tage auf hoher See kümmern. Einiges hatten wir schon in Deutschland besorgt wie Dosenbrot, Schinken und Käse in 1,5-Kilo-Stücken. Alles Weitere hatte auf unserem Einkaufszettel gestanden, der vorab nach Mindelo gefaxt worden war, darunter 150 Liter Mineralwasser mit und 100 Liter ohne Kohlensäure, aber nur 50 Dosen Bier. Wie sich später herausstellte, war dies eine totale Fehlkalkulation.
Am dritten Tag ging es endlich aufs Schiff. Es sah tatsächlich so sauber aus, wie es versprochen worden war. Dann musste alles verstaut werden. Erstaunlich, welche Berge an Kartoffeln, Zwiebeln, Eier, Spagetti, Reis, Dosentomaten und vor allem Wasserflaschen angeliefert wurden. Und erstaunlich, wie viel Platz eine 5 Meter breite Segelyacht haben kann. Mit dem Landstrom konnten wir im Hafen unsere Vorräte in den beiden Kühlschränken kräftig herunterkühlen. Die Bierdosen sollten auf diese Weise als Kühlakkus dienen, wenn die Kühlschränke auf hoher See durch Batteriestrom nur eingeschränkt benutzt werden konnten.
Nach dem Verstauen kam die Einweisung und Übergabe des Schiffs, die zu unserem Missfallen recht oberflächlich und unter Zeitdruck ablief. Der Stützpunktleiter empfahl uns eine zügige Abreise, um ein vom Wetterdienst angekündigtes ungewöhnlich südliches, nach Nordost ziehendes Tiefdruckgebiet auf unserem Kurs nach Teneriffa noch zu erwischen. Also schnell die Mannschaft auf die vier Luxus-Doppelkojen verteilt, ein letzter Check und wir verließen am vierten Tag die Marina Mindelo Richtung Norden.
Jetzt erst hatten wir Zeit, unsere „Sea Princess“ – eine Sun Odyssey 49 – näher kennen zu lernen. Unter Deck gab es eine vier Meter lange Küchenzeile mit allem, was man zum Zubereiten kulinarischer Genüsse braucht. Dazu verfügte – welch ein Komfort – jede Doppelkoje über eine separate Toilette und Dusche. Drei unserer Mitsegler, die selbst eine seegehende Yacht besitzen, kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch an Deck war alles auf Bequemlichkeit ausgerichtet. Die Segel konnten eingerollt werden, ein Verkleinern der Segelfläche bei mehr Wind sollte also problemlos möglich sein. Dazu kam ein Autopilot, der besser steuern konnte als ein Steuermann. Der Motor war kräftig, aber leise und sollte uns bei Flaute helfen, unser Ziel pünktlich zu erreichen. Dazu hatten wir noch zusätzliche 100 Liter Diesel gebunkert. Alles schien bestens.
Schicki-Micki-Schiff mit vielen Unzulänglichkeiten
Nun ging es daran zu testen, was unsere drei Jahre junge „Sea Princess“ so alles drauf hatte. Das Vorsegel stand gut. Das Großsegel ließ sich zwar ohne Probleme ausrollen, stand aber wie ein nasser Lappen. Alles Herumprobieren half nicht, um ein ordentlich stehendes Segel hinzubekommen. Bei guten Windverhältnissen aber ruppiger See kamen wir hoch am Wind auf maximal 5-6 Knoten Fahrt, was für eine 15-Meter-Yacht ein enttäuschendes Ergebnis ist und das unsere Zeitplanung in Bedrängnis brachte. Zudem knarzte das Schiff in allen Fugen und kam mit den kurzen, steilen Wellen nicht zurecht. Jedes Mal krachten wir in die Wellentäler, und an einen Aufenthalt oder sogar an Schlafen im Vorschiff war nicht zu denken. Pech für die beiden Crewmitglieder, die in den Vorschiffskojen ihren Schlafplatz gefunden hatten.
Jede Menge Delfine: Unsere verspielten Begleiter sorgten für viel Abwechslung
(Fotos: Bernd Stuss/Peter Wirtz)
So bestätigten sich schon am ersten Segeltag die Bedenken der drei Schiffseigner, die ihre Vorbehalte gegen dieses „Schicki-Micki-Schiff" zwar geäußert, aber immer wieder beiseite geschoben hatten. „Unser Schiff würde jetzt mindestens 6-7 Knoten laufen, butterweich durch die Wellen gehen, und das ohne knarzenden Rumpf“, war ihre einhellige Meinung. Worauf hatten wir uns bloß eingelassen?
Unser Logbuch liefert dazu folgende Details:
1. Seetag: Windstärke 5, hohe Wellen und enorme Schräglage. Unser Smutje und wichtigster Mann an Bord wird von der Schaukelei seekrank und fällt für die nächsten Tage aus. An Kochen ist aber sowieso nicht zu denken, denn in dem schönen 5 Meter breiten Salon gibt es keine Möglichkeit zum Festhalten. In Verbindung mit dem optisch schönen, aber praktisch rutschigen Fußboden bewegt man sich häufig nur auf allen Vieren.
Am 2. Seetag werden alle elektrischen Verbraucher vom automatischen Strommanagement wegen Unterspannung notabgeschaltet. Eine Fehleranalyse ergibt, dass das Ladegerät beim Landstrom nicht gearbeitet hat und wir durch die beiden Kühlschränke im Hafen die Verbraucherbatterien zu stark beansprucht haben. Jetzt müssen die Batterien mit Motor und Lichtmaschine stundenweise nachgeladen werden. Das wirkt sich auf unseren Dieselverbrauch aus. Zur Kontrolle müssen wir die Batterien einzeln überwachen. Aaber wo sind die bloß eingebaut. Nach langem Suchen finden wir sie unter einer der Kabinen gut versteckt. Die beiden, die sich die Kabine teilen, müssen sich jetzt mit einer Koje arrangieren, die andere mit der Batteriebank bleibt offen zur Beobachtung. Längst haben wir unsere Kühlschränke ausgeschaltet und unsere Frischvorräte vergammeln ohne Kühlung schneller als wir zusehen können. Die Brote aus Mindelo sind jetzt schon verschimmelt, also gibt es nur noch Dosenbrot.
Am 3. Seetag fällt ein 4 Meter langes Verkleidungspaneel von der Decke und verfehlt ein Crewmitglied um Haaresbreite. Außerdem reißt die Vorsegelschot. Durch die Motorladung erholen sich die Batterien langsam aber sicher. Dann plötzlich mitten in der Nacht bei totaler Dunkelheit kompletter Stromausfall. Mit Taschenlampen wird fieberhaft nach der Ursache gesucht. Durch den starken Seegang ist ein Gegenstand über der zur Beobachtung offenen Batteriebank auf den Hauptschalter gefallen und hat den Stromausfall ausgelöst. Hauptschalter rein und weiter geht es. Aber mit unserer Geschwindigkeit verpassen wir das angekündigte Tiefdruckgebiet und müssen leider weiter Nordkurs halten. Da werden wir wohl auf den Azoren statt auf den Kanaren landen. So geht es weiter bis zum 5. Seetag.
Endlich ist der Spinnaker oben, reißt jedoch bei Schwachwind. So ein Pech
(Foto: Peter Wirtz)
Am 6. Seetag Flaute ohne Wellen aber mit langer Dünung. Jetzt können wir den Motor nutzen, um exakten Kurs auf Teneriffa zu nehmen und die Batterien richtig voll zu laden. Die Luxus-Badezimmer im Vorschiff funktionieren nur noch eingeschränkt, an Steuerbord geht die Abwasserpumpe der Dusche nicht mehr, an Backbord streikt die Toilette. Aber wir haben ja noch zwei Nasszellen.
7. Seetag: Der Betriebsstundenzähler des Motors ist defekt, aber wir können bei Schwachwind den Spinnaker setzen. Das schöne Segel funktioniert nur bei achterlichem Wind. Wer hätte das gedacht: Statt der üblichen Windrichtung aus Nordost bläst uns jetzt der Wind genau in Richtung Teneriffa. Glück muss man haben.
8. Seetag: Um 01:00 Uhr Ortszeit reißt der Spinnaker bei Schwachwind. Kein Bedienungs-, sondern Materialfehler. So ein Pech. Gott sei Dank dreht der Wind auf Nordwest und wir können mit der üblichen Besegelung langsam Richtung Kanaren segeln.
9. Seetag: Land in Sicht!. Wir erreichen am Nachmittag die südlichste Kanareninseln Hierro. Im fast leeren Hafen machen wir fest, dann ein paar Dosen Bier auf und schon kommt der Hafenmeister und freut sich, dass er wieder etwas zu tun hat. Erst als wir unsere Pässe zeigen, glaubt er uns, dass wir von den Kapverden kommen. Kurz darauf kommt noch ein Polizist der Guardia Civil dazu. Jetzt können wir einen Inselspaziergang machen und endlich mal wieder richtig essen gehen.
Es gibt auch viele schöne Momente wie diesen: Sonnenaufgang auf See
10. Seetag: Hafentag auf Hierro, denn wir bekommen keinen Diesel an der Tankstelle, da dessen Tank leer ist. Am nächsten Tag soll es neuen Sprit geben. Tatsächlich kommt dann der Tankwagen und wir können unseren Tank auffüllen.
11. Seetag: Nachdem uns der Kapitän des Rettungskreuzers empfohlen hat, die „Düse“ zwischen La Gomera und Teneriffa im Süden zu passieren, legen wir um 09:30 Uhr ab und kommen nach 22 Stunden um 07:30 Uhr in Radazul auf Teneriffa an. Das Schiff wird sauber gemacht, wir verschenken unsere restlichen Vorräte an andere Crews. Unzählige Sixpacks mit Wasser wechseln für 10 Euro an unsere Nachfolgemannschaft, die sich jetzt bis Mallorca mit dem Schiff weiter quälen muss.

Fazit: Nicht für die hohe See gemacht
Unsere „Sea Princess“ ist ein „Schicki-Micki-Schiff“ für Kroatien oder sonstige Küstenreviere. Dort kann man nach 3-4 Stunden Segeln oder Motoren im nächsten Hafen festmachen und in der Küchenzeile leckeres Essen zubereiten. Außerdem lässt sich auf dem Boot herrlich draußen sitzen und seinen Wein genießen. Wenn der Wind heftiger weht, sollte man im Hafen bleiben. Denn es gilt immer: Alles was an Bord ist, kann auch kaputt gehen. Für ein Seeschiff gilt deshalb: Weniger ist mehr.
Weil unsere Mannschaft aber vom ersten Augenblick an gut harmonierte und alle Widrigkeiten gemeistert hat, war es trotzdem ein beeindruckender Törn. Der Sternenhimmel bei ansonsten stockdunkler Nacht war grandios und die unendliche Weite des Ozeans ebenso. Besonders wenn die einzigen Lebewesen, die wir zu Gesicht bekamen, Delfine waren. Kein Mensch, kein Schiff weit und breit. Mit einem anderen Schiff sollten wir das mal wieder machen.
Text: Peter Wirtz
Fotos: Alfred Geißmann/Uwe Kahlau/Peter Wirtz/Bernd Stuss